Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Juni 2008 - 2 AZR 147/07 - Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 5. Januar 2007 - 9 Sa 1148/06 - Pressemitteilung Nr. 54/08


Eine Änderungskündigung wegen Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber die an sich notwendigen Anpassungen nicht auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt, sondern darüber hinausgehende - nicht notwendige - Änderungen vornehmen will.

Der Kläger war seit 1990 bei der beklagten Kirchengemeinde als Hausmeister in einem Gemeindehaus beschäftigt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden BAT-KF ist er ordentlich unkündbar. Das Gemeindehaus wurde zum 1. Oktober 2006 geschlossen. Die Beklagte bot dem Kläger die Stelle eines Küsters in ihrer Gemeindekirche unter der Bedingung an, dass er in die Küsterwohnung einziehe. Nachdem der Kläger dies abgelehnt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 7. April 2006 und bot ihm dessen Fortsetzung als Küster und Hausmeister der Kirche ab dem 1. Januar 2007 an, verbunden mit dem Bezug der Dienstwohnung. Der Kläger nahm das Änderungsangebot nicht - auch nicht unter Vorbehalt - an.

Der vom Kläger gegen die Änderungskündigung erhobenen Klage hat das Bundesarbeitsgericht - wie schon die Vorinstanzen - stattgegeben. Die Änderungskündigung ist unwirksam, weil das Änderungsangebot der Gemeinde sich nicht auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt hat. Es bestand keine Notwendigkeit, vom Kläger den Bezug der Dienstwohnung zu verlangen. Der Kläger hatte die vorherige Tätigkeit unweit der Gemeindekirche ebenfalls von seiner privaten Wohnung aus verrichtet, ohne dass es zu Unzuträglichkeiten gekommen wäre. Die Küsterordnung der evangelischen Kirche verlangt ebenfalls nicht zwingend, dass der Kläger in unmittelbarer Nähe der Kirche wohnt.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. September 2008 - 9 AZR 781/07 - Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 12. September 2007 - 18 Sa 231/07 - Pressemitteilung Nr. 70/08


Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer haben nach § 9 TzBfG einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit auf einem „entsprechenden“ freien Arbeitsplatz, wenn sich keine besser geeigneten Konkurrenten bewerben. Um einen „entsprechenden“ Arbeitsplatz handelt es sich regelmäßig nur dann, wenn die zu besetzende Stelle dieselben Anforderungen an die Eignung des Arbeitnehmers stellt wie die bisher ausgeübte Tätigkeit. Ein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit in einer höherwertigen Funktion besteht lediglich im Ausnahmefall.

Die Klägerin arbeitete seit 1986 überwiegend als Verkaufsstellenverwalterin in Vollzeit von 37,5 Wochenstunden in den Drogeriemärkten des Beklagten. In dieser Funktion war sie Vorgesetzte der dort beschäftigten Verkäuferinnen. Der Beklagte setzte Verkaufsstellenverwalterinnen nur in Vollzeit oder in Teilzeit von mindestens 30 Wochenstunden ein. Verkäuferinnen beschäftigte er ausschließlich in Teilzeit. Die Klägerin verlangte im Herbst 2004, ihre Arbeitszeit wegen eines Pflegefalls auf 20 Wochenstunden zu verringern. Um in Teilzeit arbeiten zu können, erklärte sie sich bereit, als Verkäuferin eingesetzt zu werden. Seit Herbst 2005 verlangte die Klägerin eine verlängerte Arbeitszeit. Sie bewarb sich ua. um die Stelle einer Verkaufsstellenverwalterin mit einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Der Beklagte besetzte die Stelle ab Januar 2006 mit einer anderen Arbeitnehmerin. Die Klägerin wird seit Dezember 2006 wieder als Verkaufsstellenverwalterin in Vollzeit beschäftigt.

Der Neunte Senat hat der auf den Verdienstausfall für Januar bis November 2006 gerichteten Schadensersatzklage ebenso wie die Vorinstanzen stattgegeben. Die Klägerin hatte Anspruch auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit in der höherwertigen Funktion einer Verkaufsstellenverwalterin. Die Personalorganisation des Beklagten sah Teilzeitarbeit von 20 Wochenstunden für Verkaufsstellenverwalterinnen nur bei einem Wechsel in die Position einer Verkäuferin vor. Damit erweiterte der Beklagte den Begriff des „entsprechenden Arbeitsplatzes“. Er war an seine Vorgabe gebunden. Die beiden Hierarchieebenen wurden für die Klägerin durchlässig.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 11. Mai 2006 - 2 Sa 71/05 - Pressemitteilung Nr. 21/08


Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur die vollendete Tat, sondern auch der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen schweren Pflichtverletzung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung zu den gegen ihn bestehenden Verdachtsmomenten anhören. In der Anhörung muss er den Arbeitnehmer über den erhobenen Vorwurf so unterrichten, dass der Arbeitnehmer dazu Stellung nehmen kann. Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Weiß der Arbeitnehmer, hinsichtlich welcher Straftaten der Verdacht beim Arbeitgeber besteht, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, solange abzuwarten, bis der Arbeitnehmer die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft eingesehen hat.

In dem heute vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber die fristlose Kündigung auf den Verdacht gestützt, der Kläger habe zwischen dem 14. September 2001 und dem 9. April 2003 an den Fahrzeugen von Kolleginnen in elf Fällen die Reifen aufgeschlitzt. Die Kolleginnen hatten sich zuvor kritisch über die Tätigkeit des Klägers geäußert. Auf ihre Strafanzeige hin installierte die Polizei eine Videoüberwachungsanlage. Die Kolleginnen gaben an, den Kläger in der Videoaufzeichnung erkannt zu haben. Bei der Beklagten war zwischen dem 14. und 20. Juli 2003 eine entsprechende Ermittlungsakte eingegangen. Mit Schreiben vom 14. Juli unterrichtete die Beklagte den Kläger über ihre Kündigungsabsicht. Dem Kläger waren die in Betracht kommenden Tattage aus einem früher gegen ihn ergangenen Durchsuchungsbefehl bekannt. Nach Rückkehr aus seinem Urlaub teilte der Kläger der Beklagten am 22. August mit, er wolle sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Daraufhin sprach die Beklagte die außerordentliche Kündigung aus. Der Kläger, der im Strafverfahren rechtskräftig mit der Begründung freigesprochen wurde, zwar glaube das Gericht, dass er die Taten begangen habe, habe jedoch letzte, geringe Zweifel, hat sich gegen die Kündigung gewandt. Er sei zu den Vorwürfen nicht ausreichend angehört worden, weil ihm die Ermittlungsakte nicht vorgelegen habe. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten vor dem Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Gegen den Kläger bestand der schwerwiegende, auf objektive Tatsachen gegründete Verdacht, seine Kolleginnen durch das Aufschlitzen der Reifen vorsätzlich geschädigt zu haben. Dies stellt einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Der Kläger ist vor der Kündigung in ausreichendem Maße angehört worden. Er wusste, was ihm vorgeworfen wurde und konnte sich zu den Vorwürfen äußern. Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft brauchte er dazu nicht. Wegen noch unaufgeklärter formeller Fragen wurde der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. April 2008 - 7 AZR 1048/06 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6. November 2006 - 4 Sa 28/06 - Pressemitteilung Nr. 33/08


Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien nur mündlich die Befristung eines Arbeitsvertrags, so ist die Befristungsabrede unwirksam und ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen. Übersendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Vertragsbeginn einen von ihm bereits unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag mit der Bitte um Rücksendung eines unterzeichneten Exemplars, kann der Arbeitnehmer das Vertragsangebot des Arbeitgebers grundsätzlich nur durch die Unterzeichnung der Urkunde annehmen. Dies hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden.

Der Kläger war bei der Beklagten als Industriemechaniker auf Grund eines vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt. Die Beklagte übersandte dem Kläger vor Beginn des Arbeitsverhältnisses einen von ihr bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag mit der Bitte um Unterzeichnung und baldige Rückgabe. Der Kläger nahm vereinbarungsgemäß am 4. Januar 2005 seine Arbeit auf. Auf Nachfrage eines Vertreters der Beklagten übergab er nach seinem Arbeitsantritt den von ihm unterzeichneten Arbeitsvertrag.

Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG ist durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags gewahrt. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger den Vertrag erst nach dem Arbeitsantritt unterzeichnet haben sollte. Durch die Arbeitsaufnahme ist ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden, da die Beklagte ihr Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Rückgabe des unterzeichneten Arbeitsvertrags abhängig gemacht hatte.


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Die Parteien trafen anlässlich eines Kündigungsschutzprozesses am 16. Dezember 2003 folgende vergleichsweise Regelung:


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 31. Januar 2007 - 2 Sa 271/06 -

Pressemitteilung Nr. 7/08

Entgeltfortzahlung bei Freistellung des Arbeitnehmers

Die Parteien trafen anlässlich eines Kündigungsschutzprozesses am 16. Dezember 2003 folgende vergleichsweise Regelung:

„Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird auf Grund fristgemäßer, arbeitgeberseitiger Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit dem 31.03.2004 sein Ende finden. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß
abgerechnet, wobei die Klägerin ab 15.12.2003 unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freigestellt wird.“

Im Zeitpunkt des Vergleichs war die Klägerin bereits mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig krank. Nach ihrer Behauptung hatte sie am 15. Dezember 2003 ihre Arbeitsfähigkeit zurückerlangt. Ein ärztliches Attest wurde erst am 26. Januar 2004 ausgestellt.
Die Beklagte leistete für Dezember 2003 keine und für Januar 2004 lediglich eine anteilige Vergütung. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung dieser Vergütungen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Vereinbaren Parteien,
das ein Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeit freigestellt wird, führt die Auslegung dieser Vereinbarung im Allgemeinen nur dazu, dass die Arbeitspflicht entfällt, ohne dass ein Anspruch auf Arbeitsvergütung über die gesetzlichen Grundlagen hinaus begründet wird. Wollen die Parteien eine entsprechende Zahlungspflicht schaffen, bedarf dies einer ausdrücklichen Regelung. Hieran fehlt es im Streitfall. Die Beklagte sollte lediglich ohne Rücksicht auf die Freistellung
„ordnungsgemäß abrechnen“. Deshalb schuldet sie Arbeitsvergütung nur bei Arbeitsfähigkeit der Klägerin oder nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung. Hinsichtlich der streitigen Arbeitsfähigkeit und deren Ursachen bedarf
es weiterer Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 19. Oktober 2006 - 2 Sa 1776/06 und 10 Sa 1050/06 - Pressemitteilung Nr. 35/08


Bewirbt sich eine schwangere Arbeitnehmerin um eine Stelle und besetzt der Arbeitgeber, dem die Schwangerschaft bekannt ist, diese Stelle mit einem männlichen Mitbewerber, so hat die Arbeitnehmerin eine geschlechtsspezifische Benachteiligung dann glaubhaft gemacht, wenn sie außer der Schwangerschaft weitere Tatsachen vorträgt, welche eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten im Bereich „International Marketing“, dem der „Vizepräsident“ E. vorstand, als eine von drei Abteilungsleitern beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle des E. frei. Die Beklagte besetzte diese mit einem männlichen Kollegen und nicht mit der schwangeren Klägerin. Diese begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts. Sie habe die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten. Bei der Bekanntgabe dieser Entscheidung sei sie auf ihre Schwangerschaft angesprochen worden. Die Beklagte behauptet, für die getroffene Auswahl sprächen sachliche Gründe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Er hat angenommen, die Klägerin habe Tatsachen vorgetragen, die ihre geschlechtsspezifische Benachteiligung nach § 611a Abs. 1 BGB (gültig bis 17. 08. 2006) vermuten lassen können. So habe die Beklagte die Schwangerschaft der Klägerin gekannt. Die weiteren Behauptungen der Klägerin, sie sei Vertreterin des E. gewesen und dieser habe ihr auch seine Nachfolge in Aussicht gestellt, muss das Landesarbeitsgericht ebenso berücksichtigen wie die Behauptung der Klägerin, sie sei bei der Mitteilung ihrer Nichtberücksichtigung damit getröstet worden, dass sie sich auf ihr Kind freuen solle.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2008 - 9 AZR 313/07 - mit einer Parallelsache Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Februar 2007 - 17 Sa 1224/06 - Pressemitteilung Nr. 53/08


Arbeitnehmer haben nach § 8 TzBfG Anspruch auf Verringerung und Neuverteilung ihrer Arbeitszeit. Der Arbeitgeber kann den Teilzeitwunsch ablehnen, wenn ihm betriebliche Gründe entgegenstehen. Aus einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung zur Regelung der Lage der Arbeitszeit im Betrieb können sich Gründe ergeben, auf Grund derer der Arbeitgeber die Zustimmung zu der vom Arbeitnehmer gewünschten Neuverteilung der Arbeitszeit verweigern kann.

Der Kläger ist Flugkapitän bei einem Luftfahrtunternehmen. Für die im Flugbetrieb der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer gilt das Betriebsverfassungsgesetz nicht (§ 117 Abs. 2 BetrVG). Eine tarifliche Regelung sieht vor, dass die bei der Beklagten gebildete Personalvertretung über die Feststellung der Umlaufpläne des Cockpitpersonals auf den einzelnen Flugstrecken mitzubestimmen hat. Eine „Betriebsvereinbarung Teilzeit“ regelt verschiedene im Betrieb der Beklagten angebotene Teilzeitmodelle. Die dort vorgesehenen Blockteilzeitmodelle werden nur auf das Kalenderjahr befristet angeboten.

Der Kläger verlangt die unbefristete Verringerung seiner Arbeitszeit um 30 Kalendertage. Die Blockfreizeit soll jeweils vom 17. Dezember bis 15. Januar des Folgejahrs dauern. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat keinen Erfolg. Dem Verringerungs- und Neuverteilungswunsch des Klägers stehen keine betrieblichen Gründe entgegen. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der „Betriebsvereinbarung Teilzeit“. Die Beschränkung auf befristete Blockteilzeit in der Betriebsvereinbarung gilt nur für die auf ihrer Grundlage angebotenen Teilzeitmodelle. Der gesetzliche Anspruch auf unbefristete Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit aus § 8 TzBfG kann durch eine Betriebsvereinbarung nicht zeitlich begrenzt werden. Der Senat hat erneut offengelassen, ob eine freiwillige Betriebsvereinbarung einem Teilzeitanspruch entgegenstehen kann.


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Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet.


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7. April 2006 - 3 Sa 425/05 -

Pressemitteilung Nr. 5/08

Kündigung gegenüber leistungsschwachen Arbeitnehmern

Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet. Ein Arbeitnehmer genügt - mangels anderer Vereinbarungen - seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet. Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft.

Die Klägerin ist seit 1995 in dem Versandkaufhaus der Beklagten als Lager- und Versandarbeiterin beschäftigt. Sie ist im „Sorter-Versand“ eingesetzt, wo Warensendungen auf der Grundlage der Kundenbestellungen fertiggestellt werden. Nach den Feststellungen der Beklagten wiesen die von der Klägerin gepackten Sendungen über einen längeren Zeitraum hinweg zumindest ca. dreimal so viele Packfehler auf wie dies der durchschnittlichen Fehlerquote an vergleichbaren Arbeitsplätzen entsprach. Nachdem auch zwei Abmahnungen und weitere Maßnahmen der Beklagten die Fehlerquote der Klägerin nicht nachhaltig gesenkt hatten, kündigte die Beklagte der Klägerin fristgerecht wegen qualitativer Minderleistung. Die Klägerin hat mit ihrer Kündigungsschutzklage ua. geltend gemacht, angesichts der Gesamtzahl der von ihr gepackten Pakete falle die ihr angelastete Fehlerquote nicht ins Gewicht. Die Beklagte hat demgegenüber unter Darlegung der Packfehler im Einzelnen darauf hingewiesen, die von der Klägerin verursachten Packfehler (Kundenverwechslungen, fehlende Einzelteile etc.) führten in dieser Häufigkeit bei Kunden zum Imageverlust. Durch die Fehlerbehebung entstünden auch nicht unerhebliche Kosten.

Die Vorinstanzen haben nach dem Klageantrag erkannt und dabei vor allem darauf abgestellt, eine Fehlerquote von ca. dem Dreifachen des Durchschnitts der anderen Mitarbeiter sei bei einer derartigen Tätigkeit schon an sich nicht geeignet, eine Kündigung sozial zu rechtfertigen. Dem ist der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt. Die Kündigung kann aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt sein, da die Klägerin nach den Behauptungen der Beklagten über einen längeren Zeitraum eine qualitativ erheblich unterdurchschnittliche Leistung erbracht hat. Allerdings fehlt es hinsichtlich der konkret der Klägerin vorgeworfenen Fehler und ihrer Ursachen noch an weiteren Tatsachenfeststellungen und außerdem an einer ausreichenden Interessenabwägung. Deshalb ist der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. November 2008 - 2 AZR 701/07 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 31. August 2007 - 16 Sa 293/07 - Pressemitteilung Nr. 87/08


Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§§ 1 - 10 AGG) finden im Rahmen des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Eine Kündigung, die ein Diskriminierungsverbot verletzt, kann daher sozialwidrig und damit unwirksam sein (§ 1 KSchG). Das Verbot der Altersdiskriminierung (§§ 1, 10 AGG) steht der Berücksichtigung des Lebensalters im Rahmen der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) nicht entgegen. Auch die Bildung von Altersgruppen bei der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) ist nach dem AGG zulässig.

Der im Zeitpunkt der Kündigung 51 Jahre alte Kläger war bei der Beklagten seit 1974 als Karosseriefacharbeiter beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie mit ursprünglich über 5.000 Arbeitnehmern. Seit dem Jahre 2004 kam es wegen mangelnder Auslastung zu mehreren Entlassungswellen. Im September 2006 einigte sich die Beklagte mit ihrem Betriebsrat in einem Interessenausgleich auf die Entlassung von 619 namentlich benannten Arbeitnehmern. Darunter befand sich auch der Kläger. Der Auswahl der zu Kündigenden lag eine Punktetabelle zugrunde. Die Tabelle sah Sozialpunkte ua. für das Lebensalter vor. Die Auswahl erfolgte sodann nicht unter allen vergleichbaren Arbeitnehmern, sondern proportional nach Altersgruppen, die jeweils bis zu zehn Jahrgänge umfassten (bis zum 25., 35., 45. und ab dem 55. Lebensjahr). Der Kläger hat die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht und sich ua. auf das im AGG (§§ 1, 2, 8, 10 AGG) enthaltene Verbot der Altersdiskriminierung berufen.

Die Klage blieb vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts - wie schon vor dem Landesarbeitsgericht - ohne Erfolg. In der Zuteilung von Sozialpunkten nach dem Lebensalter und in der Altersgruppenbildung lag zwar eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung. Diese war aber iSd. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt. Die Zuteilung von Alterspunkten führt mit einer hinnehmbaren Unschärfe zur Berücksichtigung von Chancen auf dem Arbeitsmarkt und im Zusammenspiel mit den übrigen sozialen Gesichtspunkten (Betriebszugehörigkeit, Unterhalt, Schwerbehinderung) nicht zu einer Überbewertung des Lebensalters. Die Bildung von Altersgruppen wirkt der Überalterung des Betriebs entgegen und relativiert damit zugleich die Bevorzugung älterer Arbeitnehmer.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2008 - 6 AZR 519/07 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 13. Juni 2007 - 3 Sa 514/07 - Pressemitteilung Nr. 8/08


Das für Kündigungen nach § 623 BGB bestehende Schriftformerfordernis ist nur gewahrt, wenn das Kündigungsschreiben vom Kündigenden eigenhändig unterzeichnet ist. Die bloße Paraphierung mit einem Namenskürzel genügt nicht. Nach dem äußeren Erscheinungsbild muss erkennbar sein, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen. Insoweit ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Auf die Lesbarkeit des Namenszuges kommt es nicht an.

Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis gem. § 622 Abs. 3 BGB mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. In diesem Fall gilt nicht die längere Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Haben die Parteien eine Probezeit von bis zu sechs Monaten vereinbart, greift die Kündigungsfrist von zwei Wochen unabhängig davon ein, ob die Probezeitvereinbarung bezogen auf die geschuldete Tätigkeit noch angemessen ist. Ist die Probezeit in einem vorformulierten Arbeitsvertrag vereinbart, unterliegt sie keiner Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Mit einer vertraglich bestimmten Probezeit von sechs Monaten nutzen die Parteien lediglich den ihnen in § 622 Abs. 3 BGB zur Verfügung gestellten Rahmen aus. Eine Abweichung von Rechtsvorschriften, die gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB Voraussetzung für eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, liegt nicht vor.

Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Fleischwerk betreibt, als Arbeiter mit einfachen Tätigkeiten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. Die Beklagte kündigte nach rund vier Monaten das Arbeitsverhältnis.

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Kündigung war entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ordnungsgemäß unterzeichnet. Sie hat das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen beendet, da sie innerhalb der nach § 622 Abs. 3 BGB zulässigerweise vereinbarten Probezeit von sechs Monaten erfolgt ist.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 24. Januar 2007 - 3 Sa 489/06 - Pressemitteilung Nr. 32/08


Enthält ein Formulararbeitsvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung für die Dauer eines Jahres im nachfolgenden Text ohne drucktechnische Hervorhebung eine weitere Befristung des Arbeitsvertrags zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit, ist die Probezeitbefristung eine überraschende Klausel, die nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil wird. Dies hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 1. November 2005 beschäftigt. Nach § 1 des von der Beklagten gestellten Formulararbeitsvertrags war das Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Oktober 2006 befristet. Diese Vertragsdauer war fett und in vergrößerter Schrift gedruckt. In dem folgenden Vertragstext war ohne besondere drucktechnische Hervorhebung bestimmt, dass die ersten sechs Monate als Probezeit gelten und das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit ende, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 19. April 2006 mit, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung zum Ablauf der Probezeit am 30. April 2006 ende.

Der Siebte Senat hat der Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2006 gewandt hat, ebenso wie die Vorinstanzen stattgegeben. Die Probezeitbefristung ist als überraschende Klausel nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Klägerin konnte aus dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags mit der drucktechnischen Hervorhebung der einjährigen Vertragslaufzeit entnehmen, dass dieser für die Dauer eines Jahres abgeschlossen werden sollte. Nach dieser optischen Vertragsgestaltung brauchte die Klägerin nicht damit zu rechnen, dass der nachfolgende Text ohne drucktechnische Hervorhebung eine weitere Befristung zu einem früheren Beendigungszeitpunkt enthielt mit der Folge, dass die Befristung für die Dauer eines Jahres nicht zum Tragen kam, da das Arbeitsverhältnis bereits zuvor nach Ablauf von sechs Monaten enden sollte.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. September 2008 - 10 AZR 634/07 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2007 - 8 Sa 788/07 - Pressemitteilung Nr. 76/08


Nach dem am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) erhalten Teilzeitbeschäftigte das Arbeitsentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht, soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist. Als Ausgleich für Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit sieht der TVöD eine Schichtzulage von monatlich 40,00 Euro und eine Wechselschichtzulage von monatlich 105,00 Euro vor.

Auf die Zahlung der Schicht- und Wechselschichtzulage in voller Höhe geklagt hatte eine mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigten tätige Krankenschwester. Das beklagte Klinikum hatte der in ständiger Schicht- und Wechselschicht eingesetzten Klägerin nach dem Inkrafttreten des TVöD auf Grund der Teilzeitarbeit nicht mehr die vollen Zulagen, sondern nur noch auf die Hälfte gekürzte Schicht- und Wechselschichtzulagen gezahlt. Die Klägerin hat gemeint, die tarifliche Regelung binde den Anspruch auf die vollen Zulagen nur an die ständige Leistung von Schicht- und Wechselschichtarbeit. Auf den Umfang der Arbeitsleistung komme es nicht an. Schicht- und Wechselschichtarbeit belaste teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ebenso wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Für eine Kürzung der Ausgleichszahlungen bei Teilzeitarbeit fehlten deshalb sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Klägerin stehen nach der tariflichen Regelung die beanspruchten Zulagen nur anteilig entsprechend dem Umfang ihrer auf die Hälfte verminderten Arbeitszeit zu. Die Tarifvertragsparteien des TVöD haben eine von der allgemeinen Regel zur Berechnung der Vergütung Teilzeitbeschäftigter abweichende Vereinbarung für Schicht- und Wechselschichtzulagen nicht getroffen. Ihre Einschätzung, dass die sich aus Schicht- und Wechselschichtarbeit ergebenden Erschwernisse einen Teilzeitbeschäftigten im Vergleich zu einem Vollzeitbeschäftigten geringer belasten, überschreitet nicht die Grenzen ihrer autonomen Regelungsmacht. Die tarifliche Zulagenregelung wahrt den Grundsatz, dass einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren ist, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Eine solche Gleichbehandlung gemäß dem Pro-rata-temporis-Grundsatz schließt eine Diskriminierung des Teilzeitbeschäftigten aufgrund der Teilzeitbeschäftigung aus.


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Die Betriebsparteien dürfen in Sozialplänen für Arbeitnehmer, die Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, geringere Abfindungsansprüche vorsehen. Das gilt auch, wenn der Rentenbezug mit Abschlägen verbunden ist.


Pressemitteilung Nr. 88/08
Sozialplanabfindung bei vorgezogener Altersrente

Die Betriebsparteien dürfen in Sozialplänen für Arbeitnehmer, die Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, geringere Abfindungsansprüche vorsehen. Das gilt auch, wenn der Rentenbezug mit Abschlägen verbunden ist. Sozialpläne dienen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmern infolge von Betriebsänderungen entstehen. Sozialplanabfindungen kommt daher eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu. Dementsprechend können die Betriebsparteien bei der Beurteilung des Umfangs der voraussichtlichen Nachteile Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen. Zwar knüpfen Ansprüche auf vorgezogene Altersrente regelmäßig an ein bestimmtes Lebensalter, das Geschlecht oder eine Schwerbehinderung an. Gleichwohl liegt in ihrer Berücksichtigung durch die Betriebsparteien weder eine Verletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes noch ein Verstoß gegen das Verbot, Personen wegen eines dieser Merkmale zu benachteiligen.

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts wies daher - wie schon die Vorinstanzen - die Klage eines Arbeitnehmers ab, der eine höhere als die ihm nach dem Sozialplan zustehende Abfindung verlangte. Der Sozialplan sieht für Arbeitnehmer, die im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, geringere Abfindungen vor. Zu diesem Personenkreis gehört der bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses 60 Jahre alte, schwerbehinderte Kläger.


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Klauseln, nach denen der Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten verpflichtet ist, unterliegen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 6. September 2007 - 10 Sa 142/07 -

Pressemitteilung Nr. 4/09
Überlange Bindung des Arbeitnehmers

durch Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten Klauseln, nach denen der Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten verpflichtet ist, unterliegen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Voraussetzung für eine Rückzahlungsklausel ist danach, dass die Ausbildung von geldwertem Vorteil für den Arbeitnehmer ist und dieser nicht unangemessen lange an das Arbeitsverhältnis gebunden wird. Bei der Bestimmung der zulässigen Bindungsdauer sind im Rahmen bestimmter von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelter Richtwerte einzelfallbezogen die Vorteile der Ausbildung mit den Nachteilen der Bindung abzuwägen. Ist eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, führt dies grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt; ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht. Eine „geltungserhaltende Reduktion“ auf die zulässige Bindungsdauer findet nicht statt. Zumindest die Besonderheiten des Arbeitsrechts und -lebens fordern eine ergänzende Vertragsauslegung jedoch ausnahmsweise dann, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer zu bestimmen und sich dieses Prognoserisiko für den Arbeitgeber verwirklicht.

Die Rückzahlungsklage des Arbeitgebers war vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts ebenso wie in den Vorinstanzen erfolglos. Im zu entscheidenden Fall hatte sich ein etwaiges Prognoserisiko nicht verwirklicht; der Arbeitgeber hatte statt einer möglicherweise zulässigen Bindung von zwei Jahren eine unzulässige von fünf Jahren vereinbart.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Mai 2008 - 9 AZR 219/07 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Januar 2007 - 18 Sa 997/06 - Pressemitteilung Nr. 40/08


Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, muss der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewähren (vgl. bis 31. Dezember 2006 § 17 Abs. 2 BErzGG, danach inhaltsgleich § 17 Abs. 2 BEEG). Der Urlaub ist abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet oder es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt wird (§ 17 Abs. 3 BErzGG/BEEG). Der Neunte Senat hat § 17 Abs. 2 BErzGG bisher so ausgelegt, dass der auf Grund einer ersten Elternzeit übertragene Urlaub auch dann mit Ablauf des auf diese Elternzeit folgenden Urlaubsjahrs verfällt, wenn er wegen einer zweiten Elternzeit nicht genommen werden kann. An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest.

Die Klägerin nahm für die Betreuung ihres ersten Kinds vom 3. Dezember 2001 bis 7. Oktober 2004 Elternzeit in Anspruch. Wegen der Geburt ihres zweiten Kinds im Jahr 2003 schloss sich „nahtlos“ eine weitere, bis 18. August 2006 verlangte Elternzeit an. Das 1988 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 31. Dezember 2005.

Die Klägerin fordert mit ihrer im Januar 2006 zugestellten Klage die Abgeltung von 27,5 Urlaubstagen aus dem Jahr 2001. Der Neunte Senat hat der Klage im Unterschied zu den Vorinstanzen stattgegeben. Der Resturlaub wird weiter übertragen, wenn er nach dem Ende der ersten Elternzeit wegen einer weiteren Elternzeit nicht genommen werden kann. Das ergibt eine verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung von § 17 Abs. 2 BErzGG/BEEG. Sie hat den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Vorgaben in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie, Art. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie und die Wertungen aus Art. 8 und 11 der Mutterschutzrichtlinie zu beachten.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2008 - 3 AZR 383/06 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 18. Januar 2006 - 3 Sa 2122/05 - Pressemitteilung Nr. 63/08


Die Zusatzversorgung nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) ist wirksam auf das tarifvertraglich geregelte Punktemodell des öffentlichen Dienstes umgestellt worden.

Im Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien, dass die AVR in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind. Anlage 8 der AVR enthält die für den Kläger maßgebliche Versorgungsordnung. Sie regelt nicht selbst die Zusatzversorgung, sondern verweist auf die jeweiligen Leistungsvorschriften in der Satzung der kirchlichen Zusatzversorgungskasse. Diese Bestimmungen entsprechen inhaltlich den tarifvertraglichen Versorgungsregelungen für den öffentlichen Dienst. Ebenso wie im öffentlichen Dienst war ursprünglich eine Gesamtversorgung vorgesehen. Nach der dort erfolgten Systemumstellung durch den Tarifvertrag Altersversorgung (ATV) beschloss der Verwaltungsrat der kirchlichen Zusatzversorgungskasse, das tarifvertraglich eingeführte Punktemodell zu übernehmen und dementsprechend die erworbenen Anwartschaften in Startgutschriften umzurechnen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber schulde ihm nach wie vor die Gesamtversorgung. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Revision hatte keinen Erfolg. § 1 der Versorgungsordnung (Anlage 8 der AVR) verweist ohne Einschränkung auf die Satzungsbestimmungen der kirchlichen Zusatzversorgungskasse. Systemumstellungen bei der Zusatzversorgung sind nicht ausgeklammert. Sie bedurften nicht der Zustimmung der arbeitsrechtlichen Kommission. Die Ablösung der Gesamtversorgung durch das tarifvertragliche Punktemodell ist zulässig, wie der Senat im Urteil vom 27. März 2007 - 3 AZR 299/06 - und der Bundesgerichtshof im Urteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 - bereits entschieden haben. Im vorliegenden Rechtsstreit hatte sich das Bundesarbeitsgericht nicht damit zu befassen, ob einzelne Berechnungsvorschriften rechtlich zu beanstanden sind.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2008 - 9 AZR 514/07 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. Juni 2007 - 7 Sa 627/06 - Pressemitteilung Nr. 52/08


Der Arbeitnehmer kann sein Angebot auf Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit gem. § 8 Abs. 2 TzBfG davon abhängig machen, dass der Arbeitgeber auch seinem Verteilungswunsch zustimmt. Er unterbreitet damit ein einheitliches Vertragsangebot. Der Arbeitnehmer darf auf Grund des Ergebnisses der Erörterung nach § 8 Abs. 3 TzBfG seinen Verteilungswunsch erstmals äußern oder einen vorher geäußerten Verteilungswunsch ändern. Danach ist er hieran gebunden.

Die Klägerin ist seit 1995 in der Rechtsanwaltskanzlei des Beklagten als Rechtsanwaltsfachangestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Nachdem die Parteien ihren Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit erörtert hatten, beantragte sie im Januar 2006 eine Verringerung der Arbeitszeit auf 33 Stunden bei einer Verteilung von Montag bis Donnerstag von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr und von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr sowie am Freitag von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr. Das lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16. Januar 2006 ab. Mit ihrer beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sie eine entsprechende Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit geltend gemacht. Im Verlaufe des Prozesses hat sie ihren Verteilungswunsch mehrfach geändert.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Neunte Senat hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wiederhergestellt. Die Klägerin durfte ihren Verteilungswunsch nicht mehr im Prozess ändern. Ihr verbleibt nur, erneut die Verringerung der Arbeitszeit zu beantragen und “dabei” (§ 8 Abs. 2 Satz 2 TzBfG) die Festlegung der nunmehr gewünschten Verteilung zu verlangen.


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